19. November 2015

Hitler hatte keine Chance

Die Autorin und Kabarettistin Katinka Buddenkotte enpuppte sich bei der Lit.Eifel in Eupen als Topbesetzung bei der Rezitation eigener satirischer Texte – Nach generationsbedingter Eingewöhnungsphase lachten sich auch die Älteren schlapp über Maikes und Hummels „Fortpflanzung nach Tagesform“

Eupen/Eifel – Manche Autoren können sensationell gut schreiben, sind aber grottenschlechte Vorleser. Andere sind begnadete Rezitatoren – allerdings literarisch leider kaum bemerkenswerter Werke. Katinka Buddenkotte, die am Mittwochabend im Eupener Jünglingshaus anlässlich der letzten Einzellesung der Lit.Eifel 2015 zu Gast war, entpuppte sich jedenfalls als Idealbesetzung im Vortragen selbst verfasster Comedy-Texte.

Die Frau ist nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Kabarettistin. Als Autorin debütierte sie mit satirischen Erzählungen, ehe sie Romane schrieb. Das ist nach ihrem Erstlingsroman „Betreutes Trinken“ (2012) auch dem neuen Roman „Fortpflanzung nach Tagesform“ anzumerken, aus dem sie in Eupen vorlas. Vorlas? Nein, vorspielte, gestikulierte, mit hebender, senkender und schließlich sich überschlagender Stimme. Das Buch ist Comedy – und Katinka Buddenkotte trug es bei der Lit.Eifel auch so vor.

„Hitler oder Buddenkotte? Ich hoffe, die Entscheidung ist Ihnen nicht schwergefallen“: Mit diesen Worten ans Publikum eröffnete die 1976 in Münster geborene Autorin den Leseabend in Anspielung auf einen Kinofilm, der parallel zu ihrem Literaturabend in einem anderen Saal des Jünglingshauses gezeigt wurde. Nach einem Blick in die Publikumsreihen meinte die Autorin: „Es sind schon Weltreligionen mit weniger Stammpersonal gegründet worden.“ Die meisten fanden allerdings den Weg zu Buddenkotte. Für die, die zur Lit.Eifel gingen, hatte Hitler keine Chance.

In Eupen spielte Katinka Buddenkotte ihre kabarettistische Trumpfkarte nicht so sehr aus, wie dieser Einstieg vermuten ließ und wie man sie aus dem WDR-Fernsehen kennt unter anderem aus Comedy-Sendungen wie „Comedy-Festival“, „Poetry Slam“, „Prix Pantheon“ oder der Weihnachtsrevue „Akte X-mas“.

„Wie, Du rauchst nicht mehr? Leute, Maike kriegt ein Kind!“

Gleichwohl war es lustig, ihr beim Vortrag ihres neuesten Romans „Fortpflanzung nach Tagesform“ zuzuhören. Als Nicht-Angehöriger der „Generation Unentschlossen“, die in dem Roman beschrieben wird, war es zumindest zu Beginn der Lesung etwas mühsam, sich auf die Sorgen, Lebens- und Liebesgewohnheiten der 20- bis 35Jährigen zu besinnen.

Das dürfte dem Großteil des Publikums so ergangen sein, das sich zur von Guido Thomé organisierten und arrangierten Lit.Eifel-Lesung ins Eupener Jünglingshaus aufgemacht hatte und das der im Roman beschriebenen Zielgruppe deutlich entwachsen zu sein schien.

Katinka Buddenkotte schreibt Satire im Comedy-Stil, und dabei gelingt ihr nach ihrem Debütroman „Betreutes Trinken“ (2012) diesmal mit „Fortpflanzung nach Tagesform“ ein durchaus ernstes Thema heiter und leicht zu verpacken. Denn die Romanhelden, Maike und ihr Freund Matthias Biene, genannt Hummel, beide Mitte 30, aber keineswegs erwachsen, wünschen sich ein Baby und strengen sich aus Leibeskräften an, allein die Schwangerschaft bleibt aus.

Die Elternhäuser gehen während vieler Monate vergeblichen Wartens unterschiedlich damit um. Verklemmt, umständlich, wissenschaftlich, natürlich „die armen Kinder“ überbehütend und bevormundend, aber dank Buddenkottes Schreibe immer gnadenlos komisch.

Maike bekommt im Hause Biene eine Zigarette angeboten, lehnt aber ab. „Maike, du rauchst nicht mehr? Leute, Maike raucht nicht mehr! Bist Du etwa schwanger? Mensch, Leute, Maike kriegt ein Kind!“ skandiert Hummels Bruder Andreas, der sich auf Facebook „Andychrist“ nennt und mit freiem Oberkörper, „Sixpack“ und ausgebeulter Hose die Szene im sauerländischen Ausflugslokal belebt.

Maikes Eltern sind beide Naturwissenschaftler und wollen es ganz genau wissen und berichten auch, obwohl Maike es gar nicht hören will, dass sie seinerzeit nur drei Monate nach Absetzen der Pille gebraucht hatten, um Maikes jüngere Schwester Leonie „auf den Weg zu bringen“. Dabei, so findet die Autorin, sollten „das Sexualleben ihrer Eltern Kindern so mysteriös wie möglich bleiben.“

„Spermaqualität und Menge ok? Dann Frequenz erhöhen!“

Und: „Eltern sollten noch weniger über das Sexualleben ihrer Kinder Bescheid wissen.“ Das stört unterdessen Maikes Vater überhaupt nicht, der sich frisch und frei nach „Qualität und Menge“ von Hummels Spermien erkundigt, um der Tochter schließlich den Rat zu geben: „Frequenz erhöhen!“

Es war ein humorvoller Leseabend, dem nach einer gewissen Gewöhnungsphase an generationsspezifische Probleme und Umgangsformen auch die älteren Bestandteile des Eupener Lit.Eifel-Publikums zu folgen vermochten.

Offenes Gelächter gab es schließlich, als Katinka Buddenkotte außerhalb ihres Romans und der Tagesordnung zu einem Manuskript griff, in dem sie einen Krimi-Fernsehabend mit ihren leibhaftigen eigenen Eltern auf dem Sofa beschreibt. Vater und Mutter Buddenkotte gehören demnach zur Spezies der Selbst- und Dauerkommentatoren („Live-Audio-Stream“), was der Tochter „tierisch auf den Senkel“ ging und dem Eupener Publikum auf die Lachmuskulatur . . .

Guido Thomé, Pressereferent im Kulturministerium von Isabelle Weykmans und Organisator und häufig auch Moderator der Lit.Eifel im deutschsprachigen Teil des Königreichs Belgien, resümierte die Lit.Eifel 2015 und hob dabei insbesondere die Lesungen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft hervor, die sich auch 2016 wieder am gemeinsamen literarischen Auftritt der Eifel über Landes- und Staatsgrenzen hinweg beteiligen will. Auch wies Thomé auf die am Wochenende im Naturschutzzentrum Nettersheim samstags und sonntags jeweils von 13 – 18 Uhr bevorstehende Eifeler Buchmesse hin. Sie bildet den endgültigen Abschluss der Lit.Eifel 2015.

pp/AgenturProfiPress




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Klaus Schäfer
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